Best Practice Inter- & Transdisziplinäre Lehre

Projektdetails

  • Consortium:

    TU Wien – Multidisciplinary Design and User Research Group, Informatik

    Universität Wien – Technik- und Wissenschaftsforschung

    FH Campus Wien – Public Management

    FH Technikum Wien – Ecotoxicology & Environmental Management


Kontaktinformationen

  • Fabian Fischer, TU Wien
    E-Mail

Kurzzusammenfassung

Interdisziplinarität, das heißt die akademische Zusammenarbeit über Disziplingrenzen hinweg, wird aktuell von vielen Seiten nachgefragt und gefordert: Forschungsförderungen richten sich zunehmend explizit an interdisziplinäre Konsortien und die Arbeitswelt erfordert immer häufiger die Verschränkung verschiedener disziplinärer Ansätze und eine erfolgreiche und wirkungsvolle Kooperation in divers zusammengesetzten Teams. Im professionellen Umfeld und der akademischen Forschung werden folglich interdisziplinäre Kooperationen immer etablierter.

Vor diesem Hintergrund hat sich die vorliegende Studie mit der Frage auseinandergesetzt, wie inteund transdisziplinäre Lehre an den Partnerhochschulen des Center for Technology & Society (CTS) praktiziert wird. Die Motivation dafür war die Einschätzung, dass die Konzepte Interdisziplinarität und Transdisziplinarität im Forschungsbetrieb zunehmend etabliert sind, im Lehrbetrieb aber selten praktiziert werden. Das Ziel dieser Studie ist, einen ersten Überblick über den aktuellen Stellenwert von Inter­- und Transdisziplinarität in der Hochschullehre zu geben, Herausforderungen, die sich für inter-und transdisziplinäre Lehre stellen, herauszuarbeiten und Möglichkeiten für eine erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung inter- und transdisziplinärer Lehre aufzuzeigen. Grundlage dafür sind zehn qualitative Interviews mit Lehrenden an den Partnerhochschulen des CTS.

Ergebniszusammenfassung

Im Ergebnis zeigten die Interviews, dass inter- und transdisziplinäre Lehre in verschiedenen Formaten stattfindet. Einerseits gibt es etablierte Soft-Skills-Lehrveranstaltungen. In diesem Fall werden fachfremde Inhalte einem homogenen Studierendenpublikum näher gebracht. Dabei variiert der Grad der Anbindung der Inhalte an aktuelle Forschungsdebatten und die Lehrenden stammen in der Regel von zentralen Organisationseinheiten. In anderen, kleineren Lehrveranstaltungen wird Inter- und Transdisziplinarität hingegen von Lehrenden der anbietenden Fakultät ausgerichtet und die aktuellen akademischen Debatten spielen eine zentrale Rolle. In diesem Fall bringen die Lehrenden oft selbst interdisziplinäre Expertise mit. Im Rahmen von größeren Lehrveranstaltungen (10 ECTS und mehr) können die Lehrenden-Teams größer und damit auch mehrere Disziplinen vertreten sein. Hier werden auch öfter gezielt Studierende aus mehreren Studienrichtungen angesprochen, wodurch in Folge auch die Studierenden interdisziplinär zusammengesetzt sind. Schließlich gibt es Erweiterungscurricula, die sich oft explizit an Studierende anderer Disziplinen richten, sowie explizit interdisziplinäre Studiengänge. Letztere sind besonders an Fachhochschulen etabliert, da hier Berufsfelder stärker zu Strukturierung herangezogen werden als etablierte akademische Disziplinen.

Als Kernpunkt der didaktischen Gestaltung inter- und transdisziplinärer Lehre hat sich das Casebased Learning herausgestellt: Über konkrete Fallstudien können die beteiligten Disziplinen in einen fruchtbaren Austausch treten. Anhand der Fallstudien wird offensichtlich, welchen Beitrag die jeweiligen Disziplinen bieten können und wo die jeweilige Expertise wirkmächtig wird. Sie zeigen aber auch auf, wo die Grenzen dieser Expertise liegen und wo andere Disziplinen sowie nichtakademische Akteur_innen einen wertvollen Beitrag zu aktuellen Debatten und Fragestellungen leisten. Details dazu wie Fallstudien eingesetzt werden können sowie weitere didaktische Methoden für inter- und transdisziplinäre Lehre werden in dieser Studie vorgestellt.

Zudem hat sich im Rahmen der Studie gezeigt, dass inter- und transdisziplinäre Lehre mit einigen Herausforderungen und Spannungsfeldern konfrontiert ist. (1) Kolleg_innen stehen inter- und transdisziplinärer Lehre manchmal reserviert gegenüber, da der Inhalt nicht immer als (für die Disziplin) relevant anerkannt wird. Diese Form der Lehre kann dadurch erhöhtem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sein. (2) Bei interdisziplinären Inhalten kommt es oft zu Spannungen zwischen vernetzendem und spezialisiertem Wissen. Für die Lehre ist es wichtig, in allen beteiligten Disziplinen adäquat in die Tiefe gehen zu können. (3) Damit zusammenhängend ist die Evaluierung herausfordernd, da oft Prozesse und nicht Faktenwissen im Mittelpunkt stehen. (4) Inter- und transdisziplinäre Lehrtätigkeit ist oft nur schwer verknüpfbar mit einer klar disziplinär verorteten akademischen Karriere. Oft ist der Karrierefortschritt abhängig von disziplinär einschlägiger Forschungstätigkeit und Publikationen. (5) Transdisziplinäre Arbeit kann auch im Widerspruch zur Freiheit der Forschung (und Lehre) verstanden werden. Im Rahmen der Lehre ist daher darauf zu achten, dass Studierendenprojekte nicht als fertige Lösungen für konkrete Probleme missverstanden werden, sondern der Lernprozess als Hauptaufgabe im Fokus bleibt.

Aus der Studie sind Empfehlungen ableitbar. Inter- und transdisziplinäre Lehre ist oft mit Mehraufwand verbunden, etwa wenn Kolleg:innen aus verschiedenen Fakultäten koordiniert werden müssen. Folglich ist es empfehlenswert, gezielt und evtl. auf Rektoratsebene Ressourcen zur Kompensation dieses Mehraufwands zur Verfügung zu stellen, dies würde auch ein Zeichen der Anerkennung darstellen. Zielgerichtete Preise für inter- und transdisziplinäre Lehre sowie die explizite positive Anerkennung von Inter- und Transdisziplinarität bei der Evaluierung von Lehrveranstaltungen könne ebenfalls Anerkennung signalisieren. Auf Ebene der Studienpläne gilt es darüber hinaus Interdisziplinarität zu verankern und Erweiterungscurricula zu erhalten bzw. auszubauen. Formate, die Vernetzung der Lehrenden quer durch die Institution(en) unterstützen, können für interdisziplinäre Lehrprojekte förderlich sein. Fortbildungsangebote speziell für inter- und transdisziplinäre Didaktik können dem Lehrpersonal eine sinnvolle Unterstützung bieten. Abschließend gilt es festzuhalten, dass inter- und transdisziplinäre Lehre oft sehr innovativ ist und iterativ und unter Einbeziehung der Studierenden überarbeitet und angepasst werden sollte, wofür institutioneller Rückhalt wichtig ist.

Diese Studie soll dazu beitragen, inter- und transdisziplinäre Lehre an den vier Partnerhochschulen des CTS sichtbar zu machen. Hervorzuheben sind der hohe persönliche Einsatz, Motivation und Innovationskraft der Lehrenden im Bezug auf Inter- und Transdiszplinarität. Wie diese Studie zeigt, hat inter- und transdisziplinäre Lehre viele Gesichter und nimmt vielfältige Formen an. Das dokumentierte Methodenrepertoire soll (nicht nur) inter- und transdisziplinär interessierten Lehrenden als Inspiration dienen. Wir möchten mit dieser Studie auch eine Möglichkeit der Vernetzung unter Lehrenden bieten, auch über die einzelnen Hochschulen hinaus. Durch das Aufzeigen struktureller Probleme, mit denen diese Lehre oft konfrontiert ist, wollen wir auch konkrete Argumente zur Verfügung stellen, um für deren Sichtbarmachung und Anerkennung zu kämpfen.


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